2018 – Nägel mit Köpfen

Nachdem wir uns immer sicherer geworden waren, dass das Leben in der Stadt nicht unseren Bedürfnissen entsprach, begannen wir, uns ernsthafter mit der Suche nach abgelegenen, zum Verkauf stehenden Häusern zu beschäftigen. Erst versicherten wir uns immer wieder gegenseitig, dass es ja nur ein Spaß sei, nach einer neuen Bleibe zu suchen. Es könne doch nie verkehrt sein, über das aktuelle Angebot und die Immobilienpreise auf dem Laufenden zu sein.

Dann hatten wir auch noch, das zweite Jahr in Folge, bei einem Bio-Bauernhof im Nachbarort einen Saisongarten gepachtet. Das ist ein abgestecktes Stück Acker, auf dem in einem Teil bereits diverse Salate und Gemüse sowie Kartoffeln vorgesät, -gepflanzt oder -gelegt sind. Auf einem anderen Teil kann man selbst bestimmen, was wachsen soll. Im ersten Jahr, 2017, hatten wir Unmengen an Salat und Gemüse geerntet, 2018 waren wir nicht ganz so erfolgreich. Das war das erste richtig trockene Jahr. Trotzdem hatte uns die Arbeit dort unheimlich befriedigt und viel Spaß gemacht. Also sollte es nun nicht nur ein altes (wir haben beide schon mehrere Häuser saniert und hatten daran auch viel Spaß) und abgelegenes (unsere Katzen sollten auch endlich raus dürfen) Anwesen sein, sondern obendrein auch noch über einen großen Garten verfügen.

Und nach diversen unbefriedigenden Immobilienbesichtigungen quer durch Hessen war es dann so weit: Die Schlagmühle zu Frischborn stand zum Verkauf und wir entdeckten die Anzeige gerade noch rechtzeitig, bevor die Maklerin sie nach fünf Tagen und einer Unzahl von Anfragen schon wieder aus dem Internet nahm. Zur Besichtigung wurde von ihr nur ein erlauchter Kreis handverlesener Interessent:innen eingeladen und wir mussten einen anderen Termin absagen, um nur drei Tage nach dem ersten Telefonat die einzige Gelegenheit zur Besichtigung wahrnehmen zu können.

Schon als wir auf den Hof fuhren und ich meine schon immer ersehnte Trauerweide und Klaus seinen erträumten kleinen Teich sah, war uns beiden klar: Das ist es! Wie auf Wolken ließen wir uns von der Maklerin durch das riesige Gelände führen, in eines der Häuser hinein, aus dem anderen wieder heraus und waren uns ohne Worte einig. Beim Mittagessen in der Wachtel in Lauterbach saßen wir danach draußen und konnten es kaum fassen, dass wir die Chance hatten, unser Traumanwesen zu bekommen. Der Garten hatte uns so verzaubert, dass wir uns an die beiden Häuser gar nicht mehr erinnern konnten. „Kannst du dich erinnern, ob in dem alten Haus eine Heizung drin war?“ „Hm, nee, keine Ahnung. Ich hab nix gesehen.“ „Geht mir auch so…“ „Egal! Ganz gleich, wie die beiden Häuser aussehen, da will ich wohnen!“

Und wir hatten echtes Glück. Von den fünf oder sechs Interessent:innen, die sich die Schlagmühle ansehen durften und auch kaufen wollten, haben wir den Zuschlag bekommen!

Seitdem haben wir diverse Veranstaltungen besucht, die sich mit der Restaurierung von Fachwerk, Lehmputz und historischen Fenstern beschäftigten, haben Bücher gewälzt und Videos angeschaut, damit wir irgendwann einmal in eine fachgerecht sanierte Mühle einziehen können – unser Traum.

Allerdings wurde unser Elan, was die Sanierung der Mühle betrifft erst einmal deutlich gedämpft. Nachdem wir im Juni den Kaufvertrag für die Schlagmühle unterschrieben hatten, erfuhren wir im Dezember, dass nicht nur die Schwelle an der Nordwest-Ecke der Mühle nicht mehr existierte. „Wir haben den Fußboden im Wohnzimmer aufgestemmt und den Rest des Holzes mit den Händen aus der Wand geholt. Dann haben wir mit Beton aufgefüllt.“ Auch das zweite Wohnhaus, in das wir während der Sanierung der Mühle einziehen wollten, musste von Grund auf saniert werden. „Wir haben dann bemerkt, dass das Kabel, das in die Steckdose im Partyraum führt, mitsamt Kunststoff verschmort war. Die Elektrik sollte man wohl erneuern, da ist immer nur angebaut worden.“ „Mensch, ihr habt ja noch Zinkleitungen, das ist aber nicht gesund. Da solltet ihr neue Wasserleitungen legen lassen.“ „Um Himmels Willen, schau dir das mal an. Ich kann meinen Finger in den Rahmen vom Fenster reinstecken!“ Und nachdem wir in der Mühle die Gastherme wegen Altersschwäche erneuern lassen mussten, waren wir uns einig, dass das baugleiche Gerät im Wohnhaus es nicht mehr lange machen würde.

Damit war der Traum erst einmal ausgeträumt und wir wohnten über ein Jahr im Mühlen-Charme der 1960er Jahre, bis das Wohnhaus fertig saniert und unser Geldbeutel leer war.

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