Auf samtenen Pfoten – Morgenroutine

Dezember 18, 2024 0 By k84376

„Uuuuaaahhhhh!“

Ich muss mich im Liegen erst einmal strecken und herzhaft gähnen – aus dem nächtlichen Tiefschlaf in meinem Lieblingskörbchen hat mich das erste Licht des neuen Morgens geweckt und meine Muskeln und Sehnen sind noch nicht ganz wach. Gut, dass die beiden anderen Katzen, der große Schwarze und der große Weiße, noch nicht in der Nähe sind, dann kann ich mich ungestört noch ein bisschen im Körbchen räkeln, bevor ich vorsichtig erst die Nase, dann den ganzen Kopf herausstrecke.

Inzwischen hellwach registrieren meine Ohren und meine Nase, dass im Schlafnest der Zweibeiner, der Langhaarigen und des Großen, noch alles ruhig ist. Das Morgenlicht scheint keine so ausgeprägte Wirkung auf die Beiden zu haben wie auf mich. Aber das weiß ich ja schon. Vorsichtig setze ich erst eine, dann die zweite Vorderpfote auf den Boden vor meinem Lieblingskörbchen, immer mit gespitzten Ohren und witternder Nase, denn der Weiße hat mich schon so manches Mal beim Aufstehen überraschend angesprungen. Ich bin mir nicht sicher, ob er einfach nicht weiß, dass es sehr unhöflich ist, eine andere Katze an ihrem Schlafplatz zu überfallen, oder ob er manchmal seinen immer noch ausgeprägten Spieltrieb nicht im Griff hat. Aber heute habe ich Glück – vielleicht ist er schon draußen, um seine Morgentoilette schon vor dem Frühstück zu erledigen.

Apropos Frühstück… Der erste Morgenhunger meldet sich auch bei mir, aber bevor ich am Fressplatz vorbeischaue, um den Inhalt der Näpfe zu kontrollieren, muss ich erst einmal alle Muskeln durchdehnen, um für den Tag und seine Herausforderungen bereit zu sein. Also erst einmal fest auf alle vier Pfoten stellen, dann den Hintern ganz weit nach hinten schieben und die Vorderbeine nach unten drücken, das lockert die Schultern, den Hals und die Brustwirbel. Dann vorne wieder hoch kommen, das Gewicht nach vorne verlagern und erst das eine, dann das andere Hinterbein so weit wie möglich nach hinten recken und dabei den Schwanz nach beiden Seiten strecken. Damit werden auch die Muskeln in der hinteren Körperhälfte ordentlich gedehnt. Als nächstes einen schönen runden Katzenbuckel machen, zur Lockerung aller Wirbelkörper, und einmal ordentlich gähnen – Morgengymnastik erledigt!

Jetzt aber auf zum Fressplatz, ich bin am Verhungern nach der langen Nacht, mal sehen, was es heute Leckeres zu fressen gibt! Aber eigentlich hätte ich mir schon denken können, dass alle Näpfe leer sind. Der Schwarze und der Weiße waren heute Nacht unterwegs, ich habe sie im Halbschlaf herein kommen und fressen hören. Und der Große, der morgens immer die Näpfe spült und wieder mit leckerem Futter füllt, liegt ja noch im Schlafnest. Höchste Zeit, das zu ändern!

Alle Sinne auf die Geräusche und Gerüche im Haus gerichtet bemerke ich, dass der Schwarze oben auf seiner Decke noch tief und fest schläft. Er ist wohl noch müde von seinem nächtlichen Ausflug, und in der letzten Zeit schläft er sowieso immer länger. Die Langhaarige hat vor Kurzem mal gesagt, das sei ganz normal für einen alten Kater, er sei ja immerhin schon einundzwanzig Jahre alt. Ich habe keine Ahnung, was das heißt, aber mir ist auch schon aufgefallen, dass er immer weniger Interesse am Mäusefang hat und dafür lieber irgendwo auf einem ruhigen, warmen Platz liegt und döst. Aber wenn ich ihn zum Spielen auffordere, ist er meistens ganz schnell dabei und bringt mir immer noch den einen oder anderen Kampftrick bei – von ihm habe ich in der ganzen Zeit, in der ich ihn kenne, sehr viele Kniffe gelernt, die ich auch ganz gut bei den Kabbeleien mit dem Weißen gebrauchen kann! Der ist nämlich viel größer als ich und manchmal nur noch durch Fauchen, Knurren und ernst gemeinte Tatzenhiebe zu bremsen. Aber heute Morgen scheint er tatsächlich draußen zu sein, denn ich kann ihn weder erlauschen noch erschnuppern. Also auf zur ersten wichtigen Aufgabe des Tages: Futter besorgen.

Da ich immer noch nicht rausgefunden habe, wie ich die Dosen mit dem leckeren Futter öffnen kann – wenn ich auch die Tür aufbekomme, hinter der sie versteckt sind – muss ich den Langen aufwecken und an seine Pflicht uns Katzen gegenüber erinnern. Er wird ja ganz oft von selbst wach oder hat sich ein Glöckchen neben sein Schlafnest gelegt, das ihn aufwecken soll, damit wir nicht verhungern. Aber heute ist es mal wieder so weit, dass ich diese Aufgabe übernehmen muss. Also versuche ich es erst einmal mit gutem Zureden, vielleicht hört er ja den Hunger in meiner Stimme. Ich maunze und gurre also vor der Tür zum Schlafnest der Zweibeiner, was das Zeug hält, aber drinnen regt sich nichts. Ich warte kurz und versuche es erneut vokal, aber da ist wohl heute nichts zu machen. Ob der Große heute Nacht auch draußen war und immer noch müde ist, so wie der Schwarze? Egal! Mein Magen sagt mir, dass er jetzt bald aufstehen muss, damit ich nicht Hungers sterbe!

Ich werfe mich also vor der Tür auf die Seite und beginne, meine Krallen in die Spalte zwischen Boden und Tür zu schieben und sie langsam und mit möglichst viel zusätzlichem, lautem Gemaunze über die Kante zu ziehen. Das macht zusammen so einen schönen, durchdringenden Klang, der in der Regel seine Wirkung nicht verfehlt – ich höre, wie sich im Schlafnest etwas rührt und verdoppele meine Anstrengungen noch. Es ist doch sehr befriedigend, wenn ich meine Aufgabe als Verkünderin der Tagespflichten so leicht erledigen kann. Im Schlafnest ertönt Gemurmel und etwas bewegt sich. Geschafft! Im nächsten Moment öffnet sich die Tür und der Große schiebt sich durch den Spalt zu mir. Er sagt so was wie: „Iska, du alte Nervensäge!“, aber damit kann er nicht mich meinen, denn alt ist ja nur der Schwarze, und der schläft immer noch oben auf seiner Decke. Zufrieden mit mir selbst schaue ich zu dem Großen auf und beginne zu schnurren.