Säuberung der Gefache
Nach dem Besuch unseres Zimmermeisters und seiner Begutachtung des bis dahin freigelegten Fachwerks hat Klaus zwei große Planen besorgt, um die nördliche Giebelseite abzuhängen. Da wir alle die Arbeiten selbst machen wollen, die man als normaler, handwerklich einigermaßen begabter Mensch so selbst machen kann, wird das Instand setzen der ersten Wand wohl etwas länger als ein paar Tage (oder Wochen) dauern – und es soll uns ja nicht auf das ungeschützte Fachwerk oder gar in die bröckeligen Gefache regnen oder schneien.
Jetzt heißt es also, mit Hilfe des verfahrbaren Gerüsts alle Gefache zu kontrollieren und lose Lehmputzbrocken von dem Flechtwerk, mit dessen Hilfe der Lehmputz in den Gefachen gehalten wird, zu entfernen. Nicht weniger als 42 Gefache warten auf diese erste Kontrolluntersuchung…
Vorher
Nachher
Mit der Entfernung der Fassadenverkleidungen wurden auch andere Details am Fachwerk der Schlagmühle nach vielen Jahrzehnten endlich wieder sichtbar. So wissen wir jetzt nicht nur, dass die eigentliche Eingangstür in der Giebelseite zu finden war und vermutlich im Zuge der ersten Verkleidungswelle zugemauert wurde, sondern auch, dass vor den 1960er Jahren nicht das „neue“ Haus, das es damals noch gar nicht gegeben hat, sondern die Schlagmühle selbst die „Nummer 1“ in der Gemarkung war:
Und auch das Baujahr erscheint plötzlich in einem ganz anderen Licht, denn das in der Denkmaltopographie der Stadt Lauterbach angegebene Jahr 1756 ist falsch und wohl ein glatter Zahlendreher und die Schlagmühle in ihrer heutigen Form wurde im Jahr 1765 gebaut:
Es ist im Foto zwar nicht eindeutig zu erkennen, denn am oberen Ende der letzten Ziffer verläuft sowohl ein Querstrich nach rechts, was eine „5“ lesen läßt, als auch ein abgewinkelter Querstrich nach links, was die Zahl zu einer „3“ machen würde. Inzwischen waren wir aber so schlau, im Internet nach historischen Dokumenten, die die Schlagmühle betreffen, zu suchen. Und sind tatsächlich fündig geworden! In einer Sammlung des Hessischen Staatsarchivs in Darmstadt existiert eine Akte mit dem Titel „Erbleihmühle bei Frischborn (Schlag- bzw. Schleifmühle)“, die nur unsere Schlagmühle bezeichnen kann, denn in Frischborn gab es keine weiteren Schlagmühlen. Und in dieser Akte wird das Wiederaufbau-Baujahr mit 1765 angegeben.
„Wie?“ wird sich der Eine oder die Andere fragen. „Wiederaufbau-Jahr“?
Ja, die Schlagmühle existierte bereits vor 1765 und wurde in diesem Jahr wegen Baufälligkeit des ursprünglichen Gebäudes wiederaufgebaut. Was man nicht alles aus dem Internet erfahren kann… Aber dazu mehr in einem anderen Bericht…
Auf der Geschossschwelle, auf der Klaus ganz rechts die Jahreszahl gefunden hat, findet sich ein über die komplette Giebelbreite verlaufender Hausspruch, den es noch zu entziffern gilt und dessen Abschluss das oben gezeigte Aufbaujahr bildet. Wenn wir Glück haben, erfahren wir damit noch etwas über den Hausherrn und den Zimmermeister, der das Fachwerk errichtet hat!
Jetzt muss noch die komplette Verlattung, an die im Erdgeschoss die Sauerkrautplatten und im ersten Stock die Eichenbretter genagelt waren, vorsichtig entfernt werden, damit von den Verschalungsmaßnahmen der Fassade aus den 1960er bis 1980er Jahre bis auf die Nagellöcher keine Spuren mehr bleiben.