Die Farbe des Frühlings
Also, wenn mich jemand fragen würde, welche Farbe der Frühling für mich hat, dann müsste ich nicht lange überlegen: Grün natürlich! Hellgrün wie die Spitzen der Traubenkirschblätter, die mit als erste ihre zarten Triebe zeigen. Oder dunkel-rotgrün, wie die ersten Brennnesseltriebe, die dann wunderbar im Salat oder als Spinat schmecken. Oder gelbgrün wie die Weidenkätzchen, bevor sie zu blühen beginnen.
Wobei, apropos gelb – vielleicht ist der Frühling doch eher gelb… Wenn die Winterlinge ihre gelben Blütenköpfchen öffnen, dann kommt die Hoffnung, dass der Winter vorbei ist, der Frühling anfängt und alles wieder grün wird. Und wenn dann die gelben Osterglocken, kleine und große, ans Blühen kommen, dann ist der Frühling schon da. Gelbgesprenkelte Wiesen, übersät mit den Köpfen des teils geliebten, teils gehassten Löwenzahns, rufen in den Garten. Und mit dem Öffnen der leuchtendgelben Mahonienblütenrispen kann man dann den Frühling in seiner vollen Süße auch riechen.
Ach ja, Duft… So richtig Frühling ist es ja, wenn der Flieder blüht. Nicht unbedingt die vielfarbigen Edelsorten, sondern der violette „Gemeine Flieder“. Also ist vielleicht doch violett die Farbe des Frühlings? Nach einem milden Winter zeigen sich ja schon vor den Winterlingen die zart-violettfarbenen Blüten der Roten Taubnessel, eine ganz wichtige Nahrungsquelle für die allerersten nektarliebenden Insekten. Und wenn in den noch lichten Laubwäldern dann später der Lerchensporn mit seinen bizarren violetten Blüten und den filigranen Blättchen aufblüht, dann geht mir das Herz auf. Und nur wenig später zeigen sich dann die rosa-violetten Blüten des Lungenkrauts, die blau werden, sobald sie von einem Insekt befruchtet wurden. Das nenn‘ ich mal ein Zeichen für den Frühling!
Aber ist dann das Violett der frühen Blüte oder doch das Blau der bestäubten Blüte die Farbe des Frühlings? Blau – wie das Meer der Blausterne, die hier wie ein Teppich blühen und sich unaufhaltsam immer weiter ausbreiten. Und das tiefe Blau der Leberblümchen, die aus dem Schatten heraus wie blaue Fanale leuchten, unübersehbar. Und gerade jetzt blüht in zartestem Himmelblau das Vergißmeinnicht, jede winzige Blüte mit mit einer leuchtendgelben Mitte… Womit wir wieder am Anfang wären, apropos gelb…
Ach, was soll’s, ich nehme einfach alle!