Garten-Archäologie, Teil 1
Schon letztes Jahr, als das mit dem Kartoffellaubbeet so gut geklappt hat, habe ich mir vorgenommen, auch in dieser Saison wieder eines anzulegen. Da mein Plan, im Nutzgarten ab jetzte Mischkulturen in Reihen anzulegen, ist die große Fläche rechts vom Gartenweg, wo die Mischkulturen wachsen sollen, für ein Kartoffellaubbeet nicht mehr geeignet. Also muss ein neuer Platz her. Und weil ich experimentierfreudig bin, soll es in diesem Jahr ein Platz außerhalb des Nutzgartens sein, denn angeblich kann man auch auf einer Wiese ein Kartoffellaubbeet anlegen. Dann bekomme ich auch eine Idee, wieviele Wühlmäuse so unterwegs sind…
Also: Sonnig müsste der Platz sein, und irgendwo, wo die Beetumrandung nicht im Weg ist. Eine Stelle, die sich leicht aus einem der Regenfässer bewässern lässt, wäre ideal, denn vielleicht bekommen wir wieder einen trockenen Sommer. Und irgendwo, wo auch Regen gut aufgenommen werden kann. Also habe ich mir die Regen-/Westseite des Stalls ausgeguckt, wo in den letzten Jahren Brennnesseln, Kälberkropf, Kriechender Hahnenfuß und Topinambur das Regiment hatten. Ist zwar ein Hangstück, aber das kann beim Wässern auch ein Vorteil sein, wenn das Wasser langsam den Hang runterläuft. Und wenn im April und Mai die Nächte noch kalt sind, strahlen die Basaltsteine der Stallwand noch ein bisschen Wärme ab.
Aber im Hinblick auf den aktuellen Bewuchs fiel das „Einfach-die-Kartoffeln-auf-die-Wiese-legen-und-Laub-drüber-schichten“ absolut flach. Brennnesseln, Kälberkropf, Kriechender Hahnenfuß und Topinambur wären sicher auch froh über eine zusätzliche Düngergabe per Laub und würden die Kartoffeln vermutlich gar nicht erst richtig hochkommen lassen. Also muss es auf die anstrenge Tour gehen: Beikräuterwurzeln ausbuddeln!
Ist ganz schön anstrengend, denn im Hang arbeiten macht schon mal etwas mehr Mühe, außerdem durchziehen den Boden nicht nur hartnäckige Brennessel- und Hahnenfußwurzeln, sondern auch dickere Wurzeln der umliegenden Bäume. Und auch eine ganze Menge Steine und Dachziegelreste muss ich aus der Erde klauben.
Und dauernd diese Topinamburknollen… Die Knollen sind zwar essbar und enthalten anscheinend auch noch eine Menge gesundes Zeugs, aber ich habe die Dinger schon in meiner Kindheit, als meine Mutter mal welche im Garten angebaut hat, nicht vertragen. Als ich dann während des Studiums in meinem ersten eigenen Garten einen weiteren Versuch gestartet hatte und immer noch Bauchschmerzen und Durchfall davon bekommen habe, habe ich dem Topinambur total abgeschworen. Sollen sich andere über den hohen Inulingehalt freuen!
Außerdem werden die Knollen an der Stall-Westwand nur maximal so dick wie mein Daumen, und das auch nur in Ausnahmefällen. Die meisten sind nur fingernagel- bis kleinezehengroß. Da lohnt sich das Schälen ja überhaupt nicht…
Überdies nerven sie auch beim Entkrauten des Bodens ganz ordentlich. Ich löse mit der Grabegabel die oberste Bodenschicht mit den Wurzeln, klopfe dann die Erde auf der Unterseite der „Bodenfladen“ ein wenig auf und kann danach die Wurzeln leicht herausziehen. Bis auf die Topinamburknollen… Die sind meistens so klein, dass sie in einem Brocken Erde stecken bleiben und erst beim nochmaligen Durchwühlen der wurzelbefreiten Erde auftauchen. Dann sind es so viele, dass ich die Erde zwei Mal von links nach rechts und rechts nach links durchsuchen muss, um auch noch die vorletzte zu finden – die letzte bleibt sicher in jeder Schaufel Erde drin, weil ich sie übersehen habe… Und selbst da, wo nichts anderes mehr wächst, zwischen den Ziegelsplittern und in den Mauerritzen der Stallwand, klebt garantiert noch eine Topinamburknolle! Kurz: Ich mag sie nicht!!!
Aber, wie heißt es so schön: Schlimmer geht immer…
Am dritten Nachmittag des Grabens, ich hatte etwa die Hälfte der vorgesehenen Fläche durch, stieß ich mit der Grabegabel schon nach etwa drei Zentimetern auf Widerstand. Rechts daneben auch… Und darhinter auch… Und viel weiter rechts ebenfalls… Bis dahin gab es zwischen Steinen und Ziegelstücken immer irgendwo eine Stelle, wo ein Gabelzinken gegriffen hatte. Hier nicht. Und sofort meldete sich der Entdeckergeist in mir – als Zehn- oder Zwölfjährige wollte ich mal Archäologin werden und Dinosaurierskelette ausgraben…
Also habe ich mir meine kleine Handschippe genommen und begonnen, nach den Rändern des Hindernisses zu suchen und einen Teil der Oberfläche freizulegen. Und zum Vorschein kam: Ein behauener Stein! Was auch zu erwarten war, denn früher stand an Stelle des Stalls eine große Scheune, die in den Sechzigern oder Siebzigern abgerissen worden war.
Und schon starteten meine Gedanken ein wildes Fantasie-Karussell… „Wie groß ist der Stein?“ „Was war sein Zweck?“ „War das vielleicht einer der Ecksteine der alten Scheune?“ „Oder hatte er einen ganz anderen Zweck?“ „Ist es ein Grabstein?“ „Oder die Abdeckung eines uralten Grabs?“ „Liegt vielleicht noch was drunter? Eine kleine Höhle, ein Skelett, ein Schatz?“ Manchmal ist es echt anstrengend, ein Übermaß an Fantasie zu haben… Aber es spornt auch mächtig an!
Also habe ich mit meiner kleinen Schippe weiter gebuddelt, am Rand des Steins entlang, und tatsächlich was gefunden: Noch mehr Ziegelstücke, noch mehr Steine, noch mehr Topinamburknollen…
Und dann war die Sonne weg und mir wurde kalt. Also habe ich mein Werkzeug zusammengepackt und bin rein gegangen…
Fortsetzung folgt…