Kleiner Bruder
Geschwister verstehen sich ja nicht unbedingt immer von Anfang an gut. Bei meinem „kleinen“ Bruder und mir hat es auch etwas länger gedauert, aber seit er einen Kopf größer ist als ich – ja, das muss ungefähr der Zeitpunkt gewesen sein – verstehen wir uns ganz gut. Vielleicht liegt das ja auch daran, dass wir seitdem nicht mehr im gleichen Haus wohnen, wer weiß, oder dass jeder seinen Lebenssinn gefunden und eine eigene Familie gegründet hat.
Jedenfalls haben wir uns nach längerer Zeit zu Papas rundem Geburtstag in Losheim wieder gesehen und prächtig unterhalten. Oder besser gesagt, der „Große“ hat die meiste Zeit geredet und ich habe, mehr oder weniger staunend, zugehört. Klar sind wir beide inzwischen erwachsen, aber vieles, was wir in unserer Kindheit gemeinsam erlebt haben, ist doch immer noch präsent und immer nur eine kurze Erzählung, zwei oder drei Sätze weit, entfernt. Von ihm kann ich mir erzählen lassen, was aus meinen alten Klassenkameraden geworden ist, denn einige von ihnen gehören zu seinem Freundeskreis. Oder mir beim neuesten Klatsch überlegen, dass Losheim und Frischborn sich nicht so ganz unähnlich sind, ganz im Gegensatz zu Eschborn. Und alles, was er erzählt, hat immer diesen augenzwinkernden Charme, diesen eigenen Humor, den man entweder mag, oder der einem total auf den Zeiger geht – aber ich mag ihn! Nicht umsonst hat bei der Gebrutstagsfeier einer der Nachbarn ihn ein „Losheimer Original“ genannt.
Tränen gelacht habe ich bei der Geschichte von seinem Chef, der ihn gefragt hatte, was das denn mit dem Ding in seinem Gesicht auf sich hätte. Nun, wer meinen Bruder kennt, der wird sich schon gedacht haben, dass es vielleicht etwas mit „Hennes“, dem Maskottchen des 1. FC Köln zu tun haben könnte.
Aber viel interessanter (!) ist die eigentliche Geschichte, die dahinter steckt:
Chef: „Ninnsger, was hat das denn mit dem Ding in Ihrem Gesicht auf sich?“
Ninnsger: „Ei, Schäff, wisse‘ Sie, wenn eysch irjendwann mo met de‘ Feyßen off dat Beertschi droff truaden, da‘ geyn isch e‘ Pangsjohn!“
Chef: Dreht sich um, schüttelt den Kopf, und geht.
Und was sagt mein Bruder dazu? „Jo, do is’n halt gang. Dä wäß, dat en u‘ mia neyscht hätt.“
Und solche Stories reißt er fast ununterbrochen, meistens in ernstem Tonfall, aber immer mit vielen Lachfältchen um die Augen.
So war mein Bruder auch der Einzige, der am Fasnachtssamstag im Koschdümm zur Geburtstagsfeier gekommen ist, da gab es gar keine Frage, das hatte er am Vorabend schon angekündigt. Denn einerseits war ja Fasnacht, da geht man einfach koschdümmiert, aber andererseits, viel wichtiger noch, hatte der FC kurz vorher 5:0 in Berlin gewonnen!
Klaus findet ja, dass mein Bruder aussieht wie der späte Ragnar Lothbrok aus „Vikings“. Ich finde: „Bruderherz, bleib so, wie du bist!“
Und für alle, die die Schlacht am Büffet letzten Samstag verpasst haben, hier noch ein paar Fotos:
Die Geschichte vom „Geschälten Maibaum“ ist tatsächlich so passiert. Vor vielen, vielen Jahren war es in der Nachbarschaft meiner Eltern üblich, einen Maibaum zu stellen, der vorher natürlich im Wald geschlagen werden musste. Der geschälte Maibaum war einer der ersten, die geschlagen und aufgestellt wurden. Harald, einer der Nachbarn, und mein Vater waren dabei und Harald hat die Geschichte zu Papier und zu Gehör gebracht.
Hallo Sabine, mir kommen die Tränen vor Lachen. Eines verspreche ich Dir. Ich bleib so. Dein kleiner Bruder.