Unterwegs in der Lauter

August 23, 2020 Off By BlauerEngel

Nein, das ist kein Schreibfehler! Gemeint ist tatsächlich ein „Spaziergang“ im lustig plätschernden Bach vor unserem Haus, nicht im Städtchen Lauterbach oder an der Lauter. Denn wir haben es uns ja auf die Fahne geschrieben, etwas gegen die „rosa Invasion“ zu tun. Im letzten Jahr war es wohl innerhalb von Lauterbach so schlimm, dass sie die Ufer und Inseln der Lauter komplett zu überwuchern drohte – die Invasion des Drüsigen oder Indischen Springkrauts. Und gestern war der ideale Tag, um mal wieder in den Saunaanzug zu steigen: Bewölkt, aber trocken und mit nicht allzu viel Regen in den letzten Tagen, da steht das Wasser dann auch nicht so hoch – dachte ich…

Blick von der Brücke lauteraufwärts am Morgen – jede Menge Springkraut am rechten Ufer…

Aber erst mal in die Lauter rein kommen… Keine so einfache Sache, denn wo sie an unserem Grundstück lang fließt, ist das Ufer SEHR steil und hoch, was ja ganz gut ist, denn sonst müssten wir bei Regen wahrscheinlich ein Schlauchboot auspacken. Aber in Richtung des Sumpfes, also in Richtung Frischborn, gleich hinter der Brücke über den Mühlbach, ist das Gelände nur leicht abschüssig, wenn auch extrem uneben, voller abgefallener Äste , großer Steine und… Brennnesseln, Millionen von zwei Meter hohen brennhaarbewehrten Pflanzen. Gut für die Insekten, nicht ganz so gut für jemanden, der in dicker Anglerhose, Gummistiefeln und mit einem riesigen Sack bewaffnet dort durch will. Beim Gedanken daran kribbeln mir wieder die Unterarme, denn für ein langärmeliges Shirt war es gestern dann doch zu heiß.

Aber einmal unten am Bach angekommen, waren alle Brenn-Attacken gleich vergessen. Vor einigen Jahren ist die Lauter renaturiert worden, und das so richtig gut! Das Bachbett besteht zum großen Teil aus Steinen, die stellenweise regelrechte Mini-Stromschnellen bilden (aber leider beim „Spazieren“ ordentlich Probleme machen, weil man sie auch nicht immer gut sehen kann), auch die Ufer sind teilweise mit großen Steinen befestigt, an anderen Stellen hat man Seitenarme gebaut, die jetzt im Sommer zum Teil trocken gefallen sind, zum Teil aus Rinnsalen mit größeren Teichen bestehen, das südseitige Ufer ist mit einem niedrigen Erlen-Auwald bewachsen und überall am Ufer stehen große alte Bäume, überwiegend Erlen und Weiden, aber auch der eine oder andere Haselstrauch. Immer wieder scheint die Sonne durch’s Blätterdach und lässt das Wasser glitzern. Das Ganze ist wunderbar abwechslungsreich und wäre sicher für Fische, Amphibien und Reptilien ein Paradies, wenn die Waschbären nicht wären… Und natürlich das Springkraut, das es sogar den Brennnesseln schwer macht, sich durchzusetzen. Und das will schon was heißen.

Also bin ich vom Zulauf des Mühlbachs erst einmal durch’s Wasser gewatet, ganz vorsichtig, damit mir nicht gleich schon die Stiefel volllaufen, zum Südufer und dort dann in Richtung Frischborn. Ein gutes Stück lauteraufwärts wollte ich entkrauten, dann auf die andere Seite zurückwechseln und zurück zum Mühlbach das zweite Ufer springkrautfrei machen.

Das ging auch ganz gut – Klaus hatte im letzten Jahr schon mal Springkraut ausgerissen, so hielt sich der Wildwuchs einigermaßen in Grenzen. Trotzdem war mein Sack immer schnell voll, denn das Springkraut kann, ohne Witz, bis zu vier oder fünf Meter hoch werden, wo es von Bäumen oder Sträuchern gestützt wird und aus dem Schatten in Richtung Sonne strebt. Also musste ich mich auf Wildwechseln – hier scheinen sich sowohl Rehe als auch Wildschweine sauwohl zu fühlen – immer wieder durch die jungen Erlen kämpfen, um das Springkraut weit weg vom Wasser und in der prallen Sonne, wo es schnell vertrocknet, auszuleeren. Und ungefähr dort, wo der Sumpf in gemähte Wiese übergeht, fand ich auch eine schöne Stelle in der Lauter, an der ich relativ gefahrlos zum Sumpf hin durchwaten konnte.

Nachdem unser Sumpf-Monster vor ein paar Wochen dem Großteil des Indischen Springkrauts im angrenzenden Sumpfgebiet ja bereits den Garaus gemacht hatte, war es dann jetzt, neben der Reinigung des Lauterufers, auch an der Zeit, im Sumpf nochmal nach nachgewachsenen Springkraut-Überlebenden zu suchen. Denn aus im Boden verbliebenen Wurzelstöcken können genauso wie aus im Wasser liegenden Stängeln wieder neue Triebe wachsen, die jetzt ans Blühen und Aussamen kommen. Und auch verspätete Samen könnten in den letzten Wochen den Regen genutzt haben, um zu keimen. Aber auch hier sah es gut aus, das Sumpf-Monster hatte fast ganze Arbeit geleistet und nur wenige rosa Blüten waren – dann nicht mehr lange – zu sehen.

Wieder zurück am Nordufer der Lauter wurde die ganze Aktion dann doch etwas schwieriger. Auf dieser Seite gibt es, wie an unserem Grundstück entlang, wesentlich mehr Steilufer, an dem es sich nicht besonders gut lang laufen lässt. So war dann, neben Ufergekraxel, auch immer wieder der Gang durch die Lauter angesagt. Und was soll ich sagen… Ich hätte nie gedacht, dass hinter den „Stromschnellen“ das Wasser nicht nur sehr schnell, sondern auch bauchnabeltief sein kann… Aber irgendwann war es mir dann egal, wenn ich bis zu den Knien im Wasser stand, denn durch den Wasserdruck von außen werden die Gummistiefel ordentlich an die Waden gepresst und es läuft gar nicht so viel Wasser in die Stiefel rein. Außerdem bin ich jetzt Meisterin der Yoga-Übung „Einbeiniger Storch mit hochgestrecktem Bein hängt am überstehenden Ast“!

Nach zweimaligem Abrutschen auf glitschigen Steinen und – endlich – kühlendem Wasser nicht nur in den Stiefeln, sondern auch in der Anglerhose, war ich dann wieder an meiner Einstiegsstelle angekommen, dem Einlauf des Mühlbachs.

Mitten in der Lauter liegt der perfekte Sitzstein, von dem aus man nach links lauteraufwärts, geradeaus in den Mühlbach und nach rechts lauterabwärts schauen kann…

Das hätte das vorläufige Ende meiner Bachtour sein können. Aber frisches, kühlendes Bachwasser in der Hose und das Wissen, dass es bis zur Lauterbrücke nicht mehr so weit und auch auf diesem Weg noch Springkraut zu holen ist, haben mich dann noch weiter lauterabwärts getrieben. Da habe ich dann, auf der Höhe unseres Hofs, zum ersten Mal gesehen, dass die Lauter ja stellenweise an die fünfzehn Meter breit ausgebaut worden ist. Auch wieder mit Seitenarmen, Steinen und allem Drum und Dran, und mit einer Steilwand zu unserem Grundstück hin, die jeden Gedanken an ein Hochklettern gleich im Keim erstickt hat. Also musste ich mich, wenn ich nicht wieder zurück zum Mühlbach-Einlauf wollte, sowieso weiter bis zur Brücke arbeiten.

Aber nicht, ohne das eine oder andere Mal wieder, freiwillig oder unfreiwillig, ein wenig inne zu halten und das Wasserrauschen zu genießen, zum Beispiel dort, wo unser eigener kleiner Bach, der an der Außentreppe vorbei läuft, sich in die Lauter ergießt.

Hier rauscht es ganz mächtig, wo sich das Wasser unseres Bachs fast zwei Meter tief in die Lauter ergießt. Und wir dachten immer, es wäre der Springbrunnen, der so einen Lärm macht…

Nach knapp drei Stunden Wassertreten stand ich dann kurz vor der Brücke und einer vor eineinhalb Jahren abgebrochenen Weide, die seitdem quer über der Lauter liegt. Nachdem sie umgefallen war, hieß es von Seiten der Stadt: „Na, sie können den Stamm gerne selbst da raus holen und das Holz behalten.“ Was angesichts des beidseitigen unwegsamen Steilufers und mangelnder schwerer technischer Gerätschaften unsererseits bislang nicht passiert war.

Blick lauterabwärts auf die Brücke und den davor liegenden „Staudamm“…

Das hatte dann in den letzten Monaten dazu geführt, dass immer mehr große Äste und Stämme sich auf „unserer“ Seite des Bachs in der Weide verfangen und einen regelrechten Staudamm gebildet hatten. Ein Versuch meinerseits gestern, das ganze wenigstens etwas zu entwirren und den Durchfluss zu verbessern, scheiterte aus oben genannten Gründen kläglich, also müssen wir mal bei der Stadt darauf aufmerksam machen, dass sich dort mit beginnenden Herbst- und Winterstürmen ein ziemlich Drama anbahnen könnte, wenn weiteres Treibgut den Bachlauf vollends dicht macht. Und auch die Brücke würde sicher nicht profitieren, wenn ganze Baumstämme sich plötzlich lösen und dagegen donnern würden.

Zu schwer und zu sperrig zum Raustragen: der Weidenstamm mit dem angesammelten Treibgut…

Aber immerhin, auf einer Länge von etwa dreihundert Metern ist das Lauterufer jetzt nahezu springkrautfrei und ich hatte einen anstrengenden aber wunderbaren „Wassertag“, auf den ich mich auch für das nächste Jahr wieder freue! Denn weiter lauteraufwärts gibt es weiterhin Indisches Springkraut, dessen Samen die Lauter sicher auch wieder an „unseren“ Ufern abladen wird…

Blick von der Brücke lauteraufwärts am frühen Nachmittag – kein stehendes Springkraut mehr am rechten Ufer…
Erst das Wasser aus den Stiefeln…
… und dann aus den Socken entfernen…
Flatschnass und hundskaputt, aber glücklich!