Wildwuchs

Juni 27, 2020 Off By BlauerEngel

Was heutzutage in unseren Gärten und auf den Feldern wächst, sind meistens Kulturformen bestimmter Wildpflanzen. Gerste, Roggen, Weizen und Hafer beispielsweise wurden über Jahrhunderte aus wilden Gräsern kultiviert, indem man immer wieder diejenigen Pflanzen weitervermehrte, sprich, den Samen aussäte, deren Ertrag am höchsten war oder die am resistentesten gegen widrige Umweltbedingungen oder Schädlinge waren.

Um immer bessere Apfelsorten zu züchten, tut man das gleiche, nämlich selektieren, geht aber zusätzlich noch so weit, dass die Blüten eines bestimmten Apfelbaums nicht von Insekten, sondern gezielt, von menschlicher Hand, mit dem Pollen eines ganz bestimmten anderen Apfelbaums befruchtet werden. Die so später entstehenden Apfelkerne werden ausgesät und die jungen Apfelbäume jahrelang gehegt und gepflegt, bis man von ihnen die ersten Äpfel erntet und dann erst schmeckt, ob vielleicht ein besonders süßer oder schmackhafter neuer Apfel daraus geworden ist. Eine ziemlich langwierige Sache, kann sich aber lohnen, wenn man tatsächlich der Züchter DER neuen Apfelsorte wird, die frostunempfindlich, nässe- und trockenheitsresistent, apfelwicklerabweisend und dazu noch besonders lange haltbar und schmackhaft ist…

Manchmal hat aber auch einfach die Natur ihre Hand im Spiel und produziert, rein zufällig, durch eine passende Mutation, plötzlich gelbgestreifte statt roter Johannisbeeren. Die will dann auch jeder im Garten haben und derjenige, der die mutierte Johannisbeere gefunden und weitervermehrt hat, ist ebenfalls fein raus.

Es gibt aber auch, und in den letzten Jahren sind sie wieder mehr gefragt, die ursprünglichen, nicht weiterkultivierten, wilden Pflanzen, Blumen, Stauden, Sträucher, Bäume, ohne die ein Naturgarten nicht auskommt. Wer schon einmal Kornelkirschen- oder Felsenbirnenmarmelade, Gierschlimonade oder Brennnesselspinat probiert hat, der weiß, dass es nicht immer die neueste Obst- oder Gemüsesorte aus der Gärtnerei sein muss.

Was viele aber nicht wissen ist, dass einige unserer schönsten Blumen und Stauden immer noch „wild“ sind. Schneeglöckchen, Winterling und Blaustern sind nur einige Beispiele. Ein weiteres Beispiel, das mich selbst überrascht hat, ist unser eigener Wildwuchs in der Wiese im Nutzgarten, direkt an der Grundstücksgrenze:

Die Türkenbundlilie ist keine Zuchtform, sondern eine in Europa heimische wilde Lilienart. Sie wächst, laut Wikipedia, in krautreichen Laub- oder Nadelwäldern auf Kalk- und Urgesteinsböden in halbschattiger, kühler Lage. Kein Wunder also, dass sie sich unter den Zwetschen- und Kirschbäumen, in der Nachbarschaft von Holunder und Hainbuche, auf der dünnen Krume über dem Basaltgestein, angesiedelt hat. Hoffentlich bleibt sie uns dort noch lange erhalten!