„Dankeschön!“
ACHTUNG, dieser Beitrag ist nichts für schwache Nerven und Waschbärliebhaber!
Wenn man in einer Gegend lebt, in der sich der Waschbär noch nicht verbreitet hat, macht man sich vermutlich wenig Gedanken darüber, was das Leben mit Waschbären so bedeutet. „Ach, wie goldig!“ werden einige denken, wenn sie im Fernsehen einen Bericht über Waschbär-Auffangstationen sehen, in denen kleine Waschbärjunge großgezogen werden, deren Mutter nicht mehr lebt. „Der Mensch hat sie hier eingeschleppt, sie haben sich das nicht ausgesucht. Also dürfen sie auch hier bleiben“, ist der Gedanke, der für Tierschützer oft hinter dem Wunsch steht, etwas für verwaiste Waschbärjunge zu tun.
Das ist richtig, kein Waschbär sucht es sich aus, ob er in Florida oder Frischborn geboren wird. Er wird sich ein Revier suchen, wenn er erwachsen ist, wird auf die Jagd gehen und sich fortpflanzen. Aber trotzdem gibt es einen großen Unterschied: Die Beutetiere, die er sowohl in Florida als auch in Frischborn jagen wird, hatten auf dem nordamerikanischen Kontinent über Jahrtausende die Möglichkeit, Überlebensstrategien gegen den Allesfresser zu entwickeln. Die Beutetiere in den Regionen, in die der Mensch ihn aus verschiedensten Gründen eingeschleppt hat, hatten diese Möglichkeit nicht. Außerdem fehlen in diesen Regionen auch größere Raubtiere, die den Waschbärbestand in Grenzen halten könnten.
So hat sich um unsere Mühle herum in den letzten zwanzig Jahren der Bestand an Erdkröten, Fröschen, Molchen, Eichhörnchen und Fischen drastisch reduziert – seit der Waschbärbestand stetig zunimmt. Dass der Mensch dabei eine eher geringe Rolle spielt, möchte ich hier einfach behaupten, da die Lage der Mühle zwischen renaturierter und sauberer Lauter, Mühlbach und dem Mischwald hinter dem Haus, zusammen mit der jahrzehntelangen naturnahen Bewirtschaftung einen fast idealen Lebensraum bietet. Dass der Rückgang der Amphibienpopulationen auf das Fressverhalten der Waschbären zurückzuführen ist, konnten die vorherigen Besitzer der Mühle selbst beobachten: Dutzende von Krötenleichen mit aufgerissenen Bäuchen und angefressenen Schenkeln haben sie vor Jahren im Frühling hier gefunden.
Auch die Vögel haben es schwer, Nistplätze zu finden, die ein Waschbär nicht erreichen kann. Wer in Hecken und auf Bäumen offen brütet, muss Glück haben, dass der Waschbär die Eier oder Jungvögel im Nest nicht findet, genauso wie die Eichhörnchen, die nach Erzählungen früher hier im Gelände ebenfalls sehr häufig waren. Natürlich trägt auch immer der Mensch dazu bei, dass immer mehr dieser Tiere verschwinden, aber dass wir gerade hier, direkt am Wald, in Alleinlage, in fast zwei Jahren erst ein Eichhörnchen gesehen haben, das liegt sicher nicht nur am Zutun des Menschen. Nicht umsonst werden Bauanleitungen für immer raffiniertere waschbärsichere Vogelnistkästen und alle Arten von Schutzmechanismen gegen Waschbären im Garten angeboten.
Kurz und gut, wir haben uns entschieden, Waschbären auf unserem Grundstück nicht zu dulden, um den Jagddruck auf Amphibien, Reptilien, Fische, Vögel und Kleinsäuger etwas zu mildern. „Aber ihr habt doch auch Katzen“, mag der eine oder die andere einwenden. Ja, haben wir, aber zwei davon haben das Jagen nie gelernt und erwischen maximal einen kranken Vogel im Jahr. Und der dritte jagt am liebsten Mäuse, die er auch meistens frisst – mehrere am Tag, lecker! – und zweimal im Jahr einen Jungvogel. Dafür ist unser Keller mäusefrei und wir sorgen mit unseren Futterstellen und Ganzjahresfutter dafür, dass mehrere Bruten im Jahr durchkommen.
Deshalb schien es uns auch wie ein Zeichen, dass ich nur wenige Tage nach unserem ersten Waschbärfang auf dem Gartenweg eine junge Erdkröte gefunden habe – die erste, die wir hier gesehen haben. Und kurze Zeit später meckerte mich dann das erste Eichhörnchen neben dem Stall an, als ich es bei seiner Suche nach Haselnüssen störte.
Gestern Morgen war es dann wieder so weit, nachdem ich mit dem nächsten Waschbären über zwei Wochen lang einen wahren Geschicklichkeitskampf um die Auslösung der Falle ausgefochten hatte – der zweite Waschbär war gefangen! Der Jäger war dann am Mittag da.
Heute Morgen, ich war gestern Abend schon früh im Bett, meinte Klaus dann: „Du hättest noch ein wenig aufbleiben sollen, dann hättest du das Klingeln an der Haustüre noch gehört.“ „Mensch, wer kommt denn so spät am Abend noch vorbei?“ Und mit den Worten: „Jemand, der ‚Danke!‘ sagen wollte“, hat er mir dann zwei Fotos gezeigt:
Die Waschbärfalle ist schon wieder bereit!
PS: Wer immer noch denkt, Waschbären hätten ein Recht darauf, sich überall auszubreiten, möge sich einmal diese Berichte anschauen:
- https://www.tagesspiegel.de/wissen/insel-gough-maus-frisst-albatros/1238642.html
- https://www.spiegel.de/panorama/kaninchenplage-auf-schottischer-insel-canna-a-929534.html
- https://www.spektrum.de/wissen/10-der-schlimmsten-tierischen-einwanderer/1422466
Immer geht es um Populationen eingeschleppter Tiere, die das vorhandene Ökosystem bedrohen.
Interessensfrage:
Berechnet der Jäger eigentlich eine Gebühr fürs Erlegen des Waschbärens und was geschieht mit dem Kadaver; nimmt er den dann gleich mit?
Ich kann nur sagen, wie es bei uns ist:
Der Jäger war ganz empört, als ich ihm was fürs Erlegen geben wollte. Wir haben uns dann darauf geeinigt, dass wir demnächst mal ein Bier zusammen trinken. Den Kadaver entsorgen wir fachgerecht im Restmüll.