Echt schräg
Gestern waren wir im Kloster Veßra. Da gibt es eine Menge zu sehen: Wiederaufgebaute Fachwerkhäuser aus ganz Thüringen, ein altes Kloster mit einer wirklich riesigen Kirche, eine alte Mühle, die auch ihr Mühlrad noch hat und eine große Wiese mit lauter mehr oder weniger gut gemähten Streifen. Daran sind unter anderem Klaus und ich Schuld…
Wir waren zum Sensenkurs angemeldet, was einige sicher schon als schräg empfinden – wir fanden es toll!
Einer der ersten Sätze von Gunther, unserem Sensenlehrer, war: „Das ist mein silberner Koffer mit dem Verbandszeug. Der ist ganz wichtig, falls ihr euch ganz dumm anstellt. Ist bisher noch nicht passiert.“
Dann hat er uns von den drei Arten erzählt, wie man ein Sensenblatt dengelt. Das sollte man unbedingt tun, denn nur mit einer scharfen Sense kann man auch mähen. Und dazu muss der Stahl des Sensenblattes ganz dünn ausgezogen, eben gedengelt werden. Das kann man, wenn man viel Zeit, Geschick und Kraft hat, auf einem Amboß tun. Man kann aber auch einen Schlagdengler benutzen:
Mit den beiden unterschiedlich gefärbten Schlagdenglern wird das Material des Sensenblattes auf dem Schlagdengelapparat gleichmäßig „platt“ gehauen und damit ein Stück nach vorne gewalzt. Das muss man so oft machen, bis die schmale Kante vorne am Sensenblatt nicht mehr glänzt, denn erst dann ist diese Kante so flach, dass man sie auf dem Dengelamboss mit Gefühl noch ein Stück weiter ausschlagen kann.
Und es ist gar nicht so einfach, mit dem Hammer parallel zum Amboss zu schlagen, denn nur so bekommt man eine wellenfreie Kante hin. Meine wurde eine regelrechte Berg- und Talbahn…
Klaus hatte das deutlich besser im Griff!
Mit unseren selbst gedengelten Sensenblättern, einigen alten Sensenblättern zum Üben und jeweils auf unsere Körpermaße eingestellten Sensenwürfen bezoehungsweise Sensenbäumen ging es dann zur großen Wiese. Gunther hat uns erst mal ganz viel dazu erzählt, welche Einstellmöglichkeiten so ein Sensenbaum bietet und worauf man beim Arbeiten mit der Sense achten muss. Ist ja immerhin scharf, das Ding!
Und dann ging es ans Mähen. Alle anderen zogen gleich ihre erste gemähte Bahn, bei mir fiel kaum ein Halm. „Gunther! Ich glaube, ich mache was falsch…“ „Nee, du hast nur das stumpfe Übungsblatt erwischt. Bau das mal ab, das kriegt jetzt jemand anderer, damit der auch sieht, wie das ist, mit einem stumpfen Sensenblatt zu mähen. Learning by doing!“ Also habe ich das stumpfe Sensenblatt abgeschraubt, ein anderes Sensenblatt angeschraubt, wieder alles eingestellt, gemäht – ging wieder nicht! Klaus hatte in der Zwischenzeit schon etwa drei Bahnen gemäht…
„Gunther! Ich glaube, es liegt doch an mir…“ „Nee, guck doch mal, das Blatt passt überhaupt nicht zu deinem Sensenbaum, der Winkel stimmt nicht. Das liegt nicht an dir. Bau dir mal das nächste Sensenblatt dran.“ Also wieder Sensenblatt ab, anderes Sensenblatt dran, alle Einstellungen vorgenommen, gemäht – wieder nix, jeder zweite Halm blieb stehen, ich war den Tränen nah…
„Gunther, da geht nix!“ „Gib mal her… Die ist doch auch stumpf, siehst du?“ „Mann, ich will aber jetzt auch mal was mähen, nicht nur lernen, woran es liegen kann, dass es nicht klappt!“ „Dann bau dir mal dein eigenes Blatt an!“ Oh Mann, schon wieder die ganze Prozedur! Gleich ist keine Wiese mehr übrig, die noch gemäht werden muss! Alle anderen mähen doch schon seit zwanzig Minuten…
Aber auch mit meinem eigenen Sensenblatt klappte es nicht… Schlussendlich haben Gunther und ich dann rausgefunden, dass man, wenn man zwei unterschiedlich lange Beine hat, das längere Bein immer vorne lassen und das kürzere quasi nachziehen muss, weil sonst der Winkel des Sensenblattes zum Halm nicht stimmt. Außerdem war mein Sensenblatt nicht ordentlich gedengelt und deshalb auch nicht richtig scharf, das muss ich unbedingt noch üben!
Mit zwei Sensenbäumen, zwei selbst gedengelten Sensenblättern, einem Wetzstein, einem schmalen Dengelamboss, zwei Schlagdenglern, einem Schlagdengelapparat, zwei schmerzenden rechten Schultern, vielen guten Vorsätzen und einem superguten Gefühl, was das Mähen mit der Sense angeht, sind wir dann nach Hause gefahren und um halb neun todmüde ins Bett gefallen. Und das Erstaunliche ist nicht, dass wir wie zwei Tote geschlafen, sondern dass wir beide heute keinen Muskelkater haben!
Und morgen, wenn es geregnet hat, werden wir noch eine Runde Mähen. Denn nasses Gras lässt sich mit der Sense besser mähen als trockenes!
Hauptsache, der silberne Koffer kam nicht zum Einsatz. Alles andere läßt sich lernen, wenn es denn unbedingt sein muß. Manchmal ist es gut, wenn man nicht alles kann! (Dann muß man auch nicht alles machen!!)
Da es meine Idee war, werde ich um’s Machen wohl nicht komplett herum kommen. Aber im Kurs hieß es, dass Sensenmähen etwas Meditatives hat. Und darauf und auf’s richtige Mähen freue ich mich schon. 🙂
Liebe Grüße von der Mühle,
Sabine