Einfallsreiche Natur 1

Juni 7, 2019 Off By BlauerEngel

Es erstaunt mich immer wieder, wie viel Neues ich noch an altbekannten Pflanzen und Tieren entdecken kann, wenn ich näher hinschaue. Nehmen wir mal die Karde, eine Distel mit kugelförmigem Blüten- und Fruchtstand, an die ich mich noch aus meiner Kindheit erinnere.

Die hat meine Oma Lisbeth nämlich im Herbst immer geschnitten, um sie mit Silber- oder Goldfarbe zu besprühen und für ihre Gestecke zu benutzen. Und ich kann mich auch noch daran erinnern, wie sie irgendwann einmal sagte, dass sie keine Karden mehr finden würde, die wären überall verschwunden.

Wilde Karde [1]

Seit ein paar Jahren sieht man sie aber wieder häufiger, oft an Abhängen, die irgendwo eine neue oder erneuerte Autobahn säumen. Sie liebt es warm und sonnig, denn sie stammt aus dem Mittelmeerraum, und gerne nicht allzu trocken.

Das ist aber vermutlich nicht der Grund dafür, und jetzt beginnt das nähere Hinschauen, dass ihre gegenständigen Blätter am Stiel zusammengewachsen sind, so dass sie um den Stiel herum einen Trichter bilden. Wenn es regnet, sammelt sich in diesen Trichtern jede Menge Wasser.

Und jetzt wird’s spannend! Denn der leicht erreichbare Wasservorrat lockt nicht nur kleine Vögel, sondern auch jede Menge Insekten an. Und, einmal nicht aufgepasst, landen die im Karden-Miniteich, wo sie dann ertrinken, denn die Blätter wachsen relativ steil und sind nicht auf Herausklettern ausgelegt.

Aber wieso macht die Karde das, Insekten ersäufen? Wikipedia meint, dass es als Schutz gegen aufkriechende Ameisen dienen könnte. Aber warum sollte die Karde sich gegen Ameisen schützen wollen? Mein erster Gedanke war, dass sie so, ähnlich wie Kannenpflanzen, ihren Nährstoffbedarf deckt. Ist aber auch keine so ganz plausible Erklärung, weil die Karde am liebsten auf stickstoffhaltigen Lehmböden wächst, die meistens genügend verfügbare Nährstoffe enthalten.

Einfallsreiche Natur – immer wieder für ein Rätsel gut!

[1] Urheber: Wolfgang Lettko;
unverändert übernommen von https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/6/60/Picus_canus_%28%D0%A1%D0%B5%D0%B4%D0%BE%D0%B9_%D0%B4%D1%8F%D1%82%D0%B5%D0%BB%29.jpg?uselang=de;
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