Fabelhafte Flattermänner

Dezember 12, 2019 Off By BlauerEngel

Schon seit etlichen Wochen haben wir wieder Besuch von allerlei Flattertieren an unseren Futterstationen. Neben den ganzjährig verfressenen Kleibern, Meisen, Rotkehlchen und Feldsperlingen sind auch vermehrt wieder Amseln, Grünlinge, Buchfinken, Eichelhäher, Elstern, Buntspechte, Baumläufer und ganz selten auch Gimpel zu sehen. Das werden wir ganz besonders vermissen, wenn wir ins neue Haus eingezogen sind: Den Anblick aller Futterstellen mit den vielen Vögeln aus dem Küchenfenster heraus!

Die Futterstelle vor dem neuen Haus: Neben dem Futterhäuschen hängt eine Erdnusssäule, beides steht unter einem Kirschbaum, neben dessen großer Astgabel ein dicker Ast waagerecht absteht.

Aber auch vom Schlafzimmer hat man einen sehr guten Ausblick auf die beiden Futterhäuschen und die ganzen Meisenknödel- und Erdnusssäulen. Das wissen auch die Katzen zu schätzen, die immer wieder gerne am Vormittag in der Hängematte am Schlafzimmerfenster liegen und aus halb geschlossenen Augen das bunte Treiben des Federviehs beobachten. So ist es mir morgens auch schon zur Gewohnheit geworden, wenn es sich eine Katze in der Hängematte bequem gemacht hat, dort auf dem Weg ins Bad mal kurz anzuhalten, die Katze zu beschmusen und gleichzeitig zu verfolgen, wer sich alles an Haferflocken, Rosinen und Erdnüssen gütlich tut. Und gestern Morgen hat es sich ganz besonders gelohnt!

Pablo lag in der Hängematte, schon wieder müde vom ersten frühen Spaziergang draußen. Wie fast jeden Morgen bin ich am Fenster stehen geblieben, um ihn ein wenig zu kraulen und nach den Vögeln zu schauen. „Du schon wieder!“ Einer der mindestens drei Eichelhäher, die sich regelmäßig über die Erdnüsse hermachen, versuchte gerade, auf dem Dach des kleinen Futterhäuschens einen Halt zu finden, um den Inhalt zu inspizieren. Dass es mindestens drei verschiedene Eichelhäher sind, merkt man unter anderem daran, dass einer davon einen Weg gefunden hat, sich am Holzklotz, auf dem das Futterhäuschen steht, festzukrallen, um ans Vogelfutter zu gelangen. Ein zweiter schafft es, sich vom Dach regelrecht „abzuseilen“ und im Futterhäuschen zu landen. Naja, und der dritte, der versucht halt immer noch, einen Weg zu finden…

Gefunden hatte er den Weg dann gestern Morgen immer noch nicht, also versuchte er sein Glück woanders. Der Kirschbaum, unter dem das Futterhäuschen steht, hat eine Astgabel, in die wir auch immer Futter streuen, besonders für den Kleiber und den Baumläufer, aber auch die anderen Vögel haben den Dreh schon raus. So augenscheinlich auch der bislang glücklose Eichelhäher, der zur Astgabel geflogen war und nun dort saß und das Vogelfutter beäugte. Dachte ich jedenfalls… Als er aber nach einiger Zeit immer noch vor der Astgabel hing, den Kopf in typischer Eichelhähermanier hin- und herwiegend, fragte ich mich schon, was er denn am Vogelfutter auszusetzen hätte – normalerweise fressen Eichelhäher alles, was ihnen vor den Schnabel kommt. Aber der hier schien besonders wählerisch zu sein.

Plötzlich machte er einen, wie mir schien, erschreckten Hüpfer und landete flügelschlagend auf dem nächsten dicken Ast, den Kopf vorgereckt in Richtung des Baumstamms und den Schnabel, vermutlich zum Schimpfen, geöffnet. „Was zum Kuckuck…?“ dachte ich gerade noch, da sprang hinter dem Baumstamm einer unserer Buntspechte vor, dem Eichelhäher geradewegs vor die Füße. Der dachte wohl auch noch: „Was zum Kuckuck…?“ bevor er einen verunsicherten Satz nach hinten machte, weg vom sichtlich erregten, sich aufplusternden Buntspecht.

Auch von den Buntspechten haben wir hier mindestens drei Stück, die sich deutlich in ihrer Färbung unterscheiden. Das eine ist eine Buntspecht-Frau, zu erkennen am fehlenden roten Fleck am Hinterkopf. Sie hat nur den arttypischen roten Fleck unter dem Schwanz. Der zweite ist ein Buntspecht-Mann mit einem relativ kleinen roten Fleck am Hinterkopf, dafür einem großen roten Fleck unter dem Schwanz. Und unser dritter Buntspecht ist ebenfalls ein Mann, vermutlich ein eher junger, mit einem beeindruckend großen roten Fleck am Kopf und einem fast komplett rosafarbenen Bauch.

Und es war dieser dritte Buntspecht-Mann, den der Eichelhäher wohl gerade beim Fressen in der Astgabel gestört hatte und den ich vom Schlafzimmerfenster aus nicht gesehen hatte. Als die beiden sich nun so auf dem Ast gegenüber saßen, musste ich fast ein bisschen schmunzeln. Es sah, von den Größenverhältnissen her, fast so aus, als würde ein Zwergpudel einem Dobermann gegenübersitzen. Aber was war das für ein kampflustiger kleiner Zwerg! Nach dem ersten Satz, den der Eichelhäher rückwärts getan hatte, sah der Buntspecht wohl seine Chance. Mit weit nach vorne gerecktem Hals, die Flügel V-förmig waagerecht nach hinten gestreckt, ging er hüpfend auf den Eichelhäher los. Der wusste wohl gar nicht, wie ihm geschah, als so ein kleiner, jagdflugzeugartiger Winzling auf ihn zustürmte. Fast hätte er sich beim Versuch, sich mit mehreren Sprüngen aus der Gefahrenzone heraus zu bringen, nach hinten über den Ast überschlagen! Nur ein beherzter Sprung in den Gleitflug verhinderte den Absturz. Weg war der Eichelhäher!

Und unser mutiger, erboster Buntspecht schüttelte nur kurz seine Federn zurecht, bevor er sich wieder über das Vogelfutter in der Astgabel hermachte…

Drei Stunden nach seinem Kamikaze-Angriff war unser Buntspecht wieder da und ich hatte glücklicherweise die Kamera aufgebaut.

Pablo schaute mich noch kurz indigniert an. Er ist es nicht gewohnt, dass ich beim Blick aus dem Schlafzimmerfenster plötzlich lauthals zu lachen anfange, aber das war wirklich ein kurioses Schauspiel!