Mit Gewalt und Fingerspitzengefühl

April 13, 2022 Off By BlauerEngel

Vor einigen Monaten schon war unser Zimmermeister Clemens da, um uns zu sagen, dass der Einbau einer neuen Schwelle ins Fachwerk an der Nord-Giebelseite der Schlagmühle erst dann geplant werden kann, wenn der betonierte und mit Waschbetonplatten ausgelegte Weg zwischen der Mühlenwand und der Mauer zum Stall hin entfernt wäre. Dieser Weg liegt nämlich ziemlich genau auf der Höhe ebenjener Schwelle, was tunlichst vermieden werden sollte, damit bei Regen das Wasser nicht ins Holz läuft und damit, falls es doch einmal nass geworden ist, genug Luft ans Schwellenholz kommt, um es wieder abtrocknen zu lassen. Denn Feuchtigkeit bietet einen guten Nährboden für Holzfresser und -zersetzer aller Art.

Dreißig Zentimeter sollte eine hölzerne Schwelle über dem Umgebungsniveau liegen, damit sie auch vor Durchnässung durch Spritzwasser geschützt ist. Da das wohl von Anfang an, gerade bei der Hanglage, in der die Mühle gebaut wurde, nie der Fall war, ist auf Fotos aus den 1950er Jahren schon zu sehen, dass die Schwelle über die Jahrzehnte und Jahrhunderte schon schwer gelitten hatte und durch eine Ladung Beton ersetzt worden war.

Um so wichtiger, dass wir bei der Sanierung des Fachwerks darauf achten, einer neuen Schwelle die bestmöglichen Umgebungsbedingungen für ein langes Holzleben zu schaffen. Deshalb muss der Weg erst einmal weg! Klaus hatte vor vielen Wochen schon einmal die Waschbetonplatten und die darunter verklebte Teerpappe entfernt und mit dem Betonabbruch mit Hilfe eines geliehenen Bohrhammers begonnen. Da aber die Arbeit mit einem Zwanzig-Kilo-Bohrhammer weder einfach noch leicht ist, musste er nach einem Tag und eineinhalb Quadratmetern Beton mit einer Sehnenscheidenentzündung im Ellenbogen die Abbrucharbeiten erst einmal einstellen. Und da so eine Entzündung die doofe Eigenschaft hat, bei den kleinsten Belastungen immer wiederzukommen, haben wir für die kommenden Wochen auch noch keine Chance gesehen, dass die Arbeiten fortgesetzt werden könnten.

Glücklicherweise hat man für einen solchen Fall gute Freunde, die einen auf Ideen bringen, auf die man selbst einfach mal nicht kommt: ein Minibagger mit Hammer könnte vermutlich vom Radweg aus bis auf die Mauer direkt am Betonweg fahren und dann quasi „von oben“ den Betonweg aufstemmen. Und? Gestern war der Minibagger samt Fahrer da! Zwar ohne Hammer, aber mit einer Schaufel, mit der ein guter Baggerfahrer auch so einiges anstellen kann.

Gerade mal eine gute halbe Stunde hat es gedauert, bis die Betondecke in großen Platten vom Untergrund regelrecht abgekratzt und in baggertauglichen Stücken auf der Wiese zwischen Mühle und Stall abgelegt war. Wir haben nur staunend daneben gestanden und zugeschaut, mit wieviel Fingerspitzengefühl eine Baggerschaufel bedient werden kann, um einen Zahn mit zentimeterweisem Drehen und Kippen unter die Betondecke zu schieben, dann vorsichtig und doch mit Gewalt rauf und runter zu wackeln, um ein möglichst großes Stück Beton zu lösen, das dann so lange aufgerichtet, gedreht und gekippt wird, bis es entweder sicher in der Schaufel liegt oder zwischen Schaufel und vorderem Schild eingeklemmt sicher auf der Wiese abgelegt werden kann. Gar keine triviale Arbeit, denn direkt unter dem (ehemaligen) Betonweg verläuft die Abwasserleitung der beiden Fallrohre der Mühle!

Kurz und gut: Klaus hat nun einige Stunden, Tage, Wochen an Abbrucharbeiten mit dem Bohrhammer gespart.

Übrig geblieben ist nur das letzte Stückchen Beton vor der Stufe zur Terrasse, in die das westliche Fallrohr einbetoniert ist. Das war uns dann doch zu heikel, um es mit der Baggerschaufel abreißen zu lassen, Fingerspitzengefühl hin oder her. Und eine abgerisse Stromleitung, die außen am Haussockel lang geführt wurde, um eine einzelne Doppelsteckdose anzuschließen… Aber die Stromleitung konnte Klaus gestern Abend schon mit einer (F)lüsterklemme und zwei Einmalhandschuhen gegen Feuchtigkeit und weiteren Substanzverlust sichern.

Damit bleibt jetzt für die nächsten Wochenenden, die Betonbrocken auf der Wiese in handgerechte Stücke zu bohrhämmern und mit dem Anhänger zur Entsorgung zu bringen. Dann kann Clemens wieder kommen.