Oma wäre stolz auf mich

Januar 24, 2022 Off By BlauerEngel

Meine Oma konnte richtig gut nähen. Kein Wunder, war es doch nach dem Krieg nicht so einfach, neue Kleidung zu bekommen, besonders auf dem Land. Also musste möglichst viel geflickt und ausgebessert, ans Wachstum angepasst oder aus vorhandenem Stoff Neues genäht werden. Auch meine Mutter hat noch Nähen gelernt. Im Elternschlafzimmer stand immer der Nähkorb mit den notwendigen Utensilien und von der Dose mit den Knöpfen habe ich ja auch schon berichtet.

Als ich zur Schule ging, waren Handarbeiten dann nicht so sehr im Trend. Trotzdem habe ich zuhause mit Begeisterung Häkeln und Stricken, Sticken und Knüpfen gelernt. Ich hatte sogar eine kleine Nähmaschine für Kinder, aber die Kleider für meine Barbie-Puppen habe ich lieber gehäkelt als genäht. Als dann aber in den frühen Achtzigern das Selbernähen wieder modern und an den Volkshochschulen angeboten wurde, wollte ich natürlich dabei sein. Eine Haremshose und eine luftige Bluse hatte ich mir als Projekt ausgeguckt. Aber schon beim Zuschneiden verlor ich die Lust – die Barbiekleider sind auch nie nach Anleitung, sondern „Frei-Verstand“ und „Frei-Hand“ entstanden! Also bin ich zu Oma gegangen. Und die konnte natürlich nicht „Nein“ sagen und hat Haremshose und Bluse für mich fertig genäht…

Dreißig Jahre später musste ich dann unbedingt wieder eine Nähmaschine haben, keine Ahnung, was mich da gestochen hatte. Und als eine mir passende Nähmaschine beim Discounter im Angebot war, habe ich dann auch zugegriffen. Ganze vier Mal hatte ich sie samt Verpackung dann in der Hand: als ich sie aus dem Regal in den Einkaufswagen gelegt habe, als sie aus dem Einkaufswagen ins Auto gewandert ist, vom Auto in den Kleiderschrank, wo sie mehrere Jahre unausgepackt stand, und zuletzt dann beim Umzug von Niederhöchstadt nach Frischborn. Da stand sie dann wieder… Bis ich vor ein paar Monaten entdeckt habe, dass frau beim Nähen auch sehr kreativ sein kann und aus alten Stoffen viele neue Ideen entstehen können.

Seitdem sitze ich oft stundenlang im Esszimmer vor der Nähmaschine und arbeite an immer ausgefeilteren Techniken, um das in Stoff umzusetzen, was mir tags oder nachts so an Ideen kommt:

„Weiße Weihnacht“
„Sonne am See“
„Sommerpicknick“
„Shades of Grey“
„Golden Eye“
„Schlagmühle“

Glücklicherweise konnte ich schon zwei der Kissen verschenken, denn ich weiß nicht so ganz, wohin damit. Und Klaus muss jetzt dauernd alleine auf dem Sofa sitzen und immer wieder neue Kissenfüllungen kaufen, denn die Ideen gehen mir gerade nicht aus…