Stillgelegt

März 24, 2020 Off By BlauerEngel

Jetzt ist es so weit: Meine Firma hat ab März Kurzarbeit angemeldet und ich werde ab morgen beim Arbeitsamt als Kurzarbeiterin geführt. Heute werden noch die letzten Überstunden abgefeiert, danach bin ich erst einmal ohne Arbeit. „Toll, endlich so richtig Zeit für den Garten“, dachte ich erst, aber so nach und nach stellten sich dann auch noch andere Gedanken ein.

Seit ich fertig bin mit dem Studium war ich ständig „beschäftigt“, habe meinen Lebensunterhalt selbst verdient, musste nie jemanden fragen, ob ich mir ein Buch, ein Spinnrad oder ein Paar Schuhe kaufen könne. Das wird sich in den nächsten Monaten ändern, mit nur noch sechzig Prozent von Teilzeitarbeits-Gehalt. Und das drückt im Moment schon ordentlich auf das Selbstwertgefühl…

Glücklicherweise sieht es aktuell bei Klaus noch etwas anders aus. Die Bank hat zwar schon mal über Kurzarbeit nachgedacht, aber bislang ist Klaus‘ Bereich noch ein Stück davon entfernt, keine Arbeit mehr zu haben. Wir werden also sicher gut klarkommen, auch wenn mir neben der regelmäßigen Büroarbeit auch meine beiden Zusatzjobs im Kino und bei der Zeitung weggebrochen sind. Aber vielen anderen geht es ganz sicher viel schlechter, deshalb: Sch… auf das Selbstwertgefühl, das kommt irgenwann wieder! Auf in den Garten!

Und da ist wirklich viel zu tun, mal abgesehen vom Gewächshaus. Ganz viele Kleinigkeiten, die auch mit mehr Zeit sicher wieder nicht alle erledigt werden können. Also habe ich gestern im ersten Frust und bei strahlendem Sonnenschein mal die Nord-/Schattenseite unseres Stalldachs, so weit es mir möglich war, entmoost. Dort hatte sich über ein paar Jahre ein regelrechtes Biotop entwickelt, ein Moos-Dschungel, ein Paradies für Insekten und Spinnen.

Ich finde, es sah total toll aus, und wenn wir nicht feuchtigkeitsempfindliche Gerätschaften und alte Steinmauern unter den Ziegeln im Stall hätten, hätte ich es liebend gerne so gelassen. Aber Moos ist wie ein Schwamm und saugt sich mit Wasser voll, wenn es regnet. Und weil seine Wurzeln zwischen den Ziegeln durch bis auf deren Unterseite reichen, kann es passieren, dass auch das Wasser zwischen den Ziegeln durchsickert und dann unsere Werkzeuge, Maschinen, Geräte und auch die Steinmauern ordentlich nass macht. Das wirkt sich nicht unbedingt günstig auf die Lebensdauer aus…

Also habe ich mir gestern beim Abkratzen der Moospolster einen ordentlichen Muskelkater im rechten Arm und der rechten Schulter geholt – eine Harke über zweieinhalb Stunden immer wieder nach oben zu halten, um Rillen und Ritzen in den Ziegeln (mehr oder weniger) zielgenau vom Moos zu befreien, während man auf einer Trittleiter balanciert und mit dem Bauch über der Regenrinne hängt, ist ziemlich anstrengend und ungewohnt… Drei Schubkarren voll Moos habe ich so vom Dach geholt, nur ans obere Drittel bin ich nicht ran gekommen. Aber ich habe schon einen großen, kräftigen Mann im Visier, der dazu noch schwindelfrei ist – der darf irgendwann mal noch die letzten vier Ziegelreihen sauber machen. Und das Moos wird natürlich nicht entsorgt, sondern ist schnurstracks auf den neu angelegten Kompostberg gewandert.

Dort dient es den Rosenkäferlarven, die wir zu Dutzenden beim Ausleeren der Dahlien-Pflanzkübel vom letzten Jahr gefunden und am Grund des Kompostbergs platziert hatten, als Schutz gegen Sonne und hungrige Vögel, als wärmende Isolierschicht gegen Frost und als Nahrung. So können die Tierchen im nächsten oder übernächsten Jahr, wenn sie geschlüpft sind, als mehr oder weniger lernfaule Goldglänzende Rosenkäfer immer wieder durch offene Türen und Fenster ins Haus fliegen, um von Klaus und mir immer wieder nach draußen auf den Kompost gesetzt zu werden…

Eine unserer diesjährigen Rosenkäferlarven. Die Larven sind unterschiedlich groß, die kleinsten erst einen guten Zentimeter lang, die größten, wie diese hier, schaffen eine Länge von zwei Kleiner-Finger-Fingergliedern.
Mama oder Papa Rosenkäfer vom letzten Jahr…

Nun ist also der größte Teil des Stalldachs wieder halbwegs sauber und die Rosenkäfer haben genug zu futtern!

UPDATE, 25.03.2020:
Ich gehe nun doch nicht in Kurzarbeit, weil ich derzeit noch in der Wiedereingliederung bin – es geht nur entweder oder. Also doch nicht ganz so viel Zeit für den Garten, dafür mehr Selbstwertgefühl und schlechtes Gewissen, weil halt nicht so viel zu tun ist für’s Gehalt… Aber wer ist schon rundum glücklich… 😉