Voller Zorn
ACHTUNG: Dieser Beitrag enthält nicht jugendfreien Inhalt und könnte die seelische Gesundheit und den Glauben in die deutsche Bürokratie gefährden! Der Inhalt ist nicht allgemeingültig, sondern drückt die hilflose Frustation einer Einzelperson gegenüber der Entscheidung einer Behörde aus!
Die erste Runde im Kampf um den Denkmalschutz-Status der Schlagmühle gegen das Landesamt für Denkmalpflege hatten wir ja im August schon verloren. Aber als unser Zimmerermeister uns vor ein paar Wochen fragte, wie es denn so um den Denkmalschutz der Schlagmühle bestellt sei, konnte er gar nicht glauben, dass wir einen negativen Bescheid bekommen hatten. Seiner Meinung nach gibt es genügend besondere Baumerkmale an der alten Mühle, um sie als Denkmal unter Schutz zu stellen. Also habe ich mich auf sein Anraten hingesetzt und eine freundliche aber bestimmte E-Mail an den Häuptling des Landesamts für Denkmalpflege geschrieben. Vielleicht könne er uns erklären, warum ein vom Profi als schützenswert erachtetes Bauwerk nur anhand von Fotos als nicht schön genug oder nicht wichtig genug betrachtet würde.
Mit einer Antwort hatte ich nicht wirklich gerechnet, aber schon sechs Tage später flatterte die E-Mail einer Indianerin von der „Koordination Denkmalerfassung und Denkmalverzeichnis“ herein. Der Häuptling hatte tatsächlich meine E-Mail weitergeleitet, was ich erst einmal als sehr erfreulich empfand. Der Inhalt war dann allerdings alles andere als erfreulich. Eineinhalb Seiten mit dem Inhalt der Landesamt-Webseite und darunter die Verteidigung des negativen Bescheids: „… die Fotos vom Äußeren und Inneren des Mühlengebäudes [zeigen], dass der Gebäudekomplex in jüngerer Zeit schon umfangreiche Veränderungen erfahren hat. Dies betrifft nicht nur die An- und Neubauten, sondern auch die Substanz des Mühlengebäudes selbst. Kulturdenkmäler im Sinne des Hessischen Denkmalschutzgesetzes sollen ‚Quellen und Zeugnisse menschlicher Geschichte und Entwicklung‘ sein (§ 1 Abs. 1 HDSchG). Träger dieses Zeugniswerts ist die historische Substanz. Die Schlagmühle wurde jedoch im Laufe der Zeit so stark verändert, dass kein ausreichender Zeugniswert im Sinne eines Kulturdenkmals mehr vorhanden ist. Insofern hat sich an unserer fachlichen Beurteilung der Denkmaleigenschaft nichts geändert.“
Soso, Denkmäler sollen „Quellen und Zeugnisse menschlicher Geschichte und Entwicklung“ sein, aha. Ja, ich gebe zu, dass die Schlagmühle nicht mehr direkt als Mühle erkennbar ist. Aber wenn noch ein Mühlrad dran wäre, wäre sie dann schützenswert? Immerhin wäre ja dann die menschliche Geschichte direkt und für jeden erkennbar. Ist sie aber nicht, die Geschichte. Es ist halt kein Mühlrad mehr dran, plakativ formuliert, und deshalb gibt es keinen Denkmalschutz.
Aber was ist denn dann mit den vielen anderen Mühlen in und um Lauterbach, die auch ohne Mühlrad unter Denkmalschutz stehen? Zum Beispiel die im benachbarten Blitzenrod, von deren „Mühleneinrichtungen außer einem großen eisernen Schwungrad keine Relikte erhalten“ sind, laut Denkmaltopographie der Stadt Lauterbach. Oder was ist mit der Stadtmühle in Lauterbach, in der zwar ein Schlagwerk ausgestellt ist, die aber auch kein Mühlrad hat und innen zum Tourismusbüro ausgebaut ist. Und die Untere Schlagmühle in Lauterbach, von der „… die Werke der Öl-, Säge- und ursprünglich auch Walkmühle […] in der Mitte des 20. Jahrhunderts verschwunden sind.“ Steht schwarz auf weiß so ebenfalls in der Denkmaltopografie. Und da gibt es noch viel mehr Beispiele. Ja, von Zehntausenden alter Mühlen sind wohl die meisten verfallen, abgerissen, anderweitig zerstört oder umgebaut. Und trotzdem stehen viele der „Überlebenden“ unter Schutz. Unsere nicht, denn es ist ja kein Mühlrad mehr dran!
Was…, wie bitte…? Ach so…, die Lauterbacher Mühlen, die unter Denkmalschutz stehen, stehen meistens unter Ensembleschutz! Ja…, richtig…, außerhalb der Kernstadt sind große Flächen mit wenigen einzelnen Denkmälern als „Ensemble“ unter Schutz gestellt… Ich Dummerchen! Tja, dafür liegt die Schlagmühle dann wohl zu weit „außerhalb“ von Frischborn. Auch wenn in Lauterbach selbst das „Ensemble“ bis weit südöstlich vom Bahnhof reicht. Wie bitte…? Ach ja, richtig, und es ist halt kein Mühlrad mehr dran!
Aber was ist denn mit der Wandlung der Schlagmühle von der ehemaligen Ölmühle über einen Ort der frühen Stromerzeugung bis zum Flüchtlingslager und weiter zum Wohnhaus? Was ist damit, dass sich von allen diesen unterschiedlichen Nutzungen immer noch Spuren finden lassen? Was ist damit, dass so die Schlagmühle zum perfekten Zeugnis für den nachhaltigen Wandel eines Gebäudes über mehr als 250 Jahre avanciert? Was ist damit, dass man hier jedem bewusst machen kann, dass alte Bauwerke nicht immer abgerissen werden müssen, sondern umgebaut und „wiederverwendet“ werden können, ohne ihr Äußeres grundlegend zu verändern? Das soll unserer alten Mühle mal einer nachmachen! So viel zu Denkmälern als „Zeugnisse menschlicher Geschichte und Entwicklung“. „Ach…“, denkt man sich wohl, „sch… drauf, es ist kein Mühlrad mehr dran!“
Also werden wir jetzt in Eigeninitiative versuchen, so weit wie möglich die Kultur- und Technikgeschichte, die unsere alte Mühle zu erzählen hat, zu recherchieren und zu dokumentieren. Einiges haben wir an Unterlagen und Erzählungen schon zusammengetragen. Und wir hoffen, mit dem, was sich an schützenswertem Alten, Mittelalten und Neuen beim Sanieren noch finden lässt, unser ganz privates Denkmal zu erhalten! Sch… auf das Mühlrad!
Die deutsche Bürokratie; immer wieder ein Spaß. Leider sind das beim Denkmalschutz immer Einzelfälle und schlussendlich gibt es den einen Sachbearbeiter, der dann entscheidet, ob es nun denkmalgeschützt ist oder nicht.
Da hast du wohl Recht, aber es hat auch schon geholfen, sich das Ganze mal von der Seele zu schreiben… 🙂