Zu viel Jack London gelesen?

November 23, 2019 Off By BlauerEngel

Gestern hatten Klaus und ich eine Diskussion darüber, was jetzt wichtiger wäre: Im neuen Haus so schnell wie möglich fertig werden, damit wir noch vor Weihnachten einziehen können, wenn auch ohne funktionsfähige Küche (Klaus‘ Standpunkt), oder den Garten winterfest zu machen (mein Standpunkt). Natürlich hat jede/r ihren/seinen Standpunkt vehement verteidigt und wir sind erst einmal nicht zu einem Ergebnis gekommen, sondern haben irgendwann die Diskussion abgebrochen.

Als dann aber heute die Sonne den Nebel aufgelöst hatte und der Himmel blau war, meinte Klaus, kompromissbereit wie er oftmals ist, dass wir ja bei so einem schönen Wetter am besten mal etwas im Garten machen würden. Also haben wir die Folie, mit der das Gewächshausfundament abgedeckt war, zusammengelegt, Gartenschläuche aufgerollt und versorgt und Klaus hat sich angeboten, noch einmal auf’s Dach der Blechgarage zu steigen und das Laub, das sich schon wieder dort angesammelt hatte, runter zu kehren, damit ich es im Nutzgarten als Mulchschicht verteilen kann.

Kein Wort jetzt über Affen!!!

War ein ziemlicher Haufen, den Klaus da vom Dach gekehrt hatte, und auf der Wiese vor der Garage lagen auch schon wieder jede Menge Blätter von den umstehenden Laubbäumen – gut für den Garten und für mich, denn Laub recheln finde ich fast so meditativ wie Gras sensen. Außerdem macht es die Arme und den Rest vom Körper schön schwer, dann kann man nochmal besser schlafen.

Als Klaus dann im neuen Haus verschwand, um weiter unseren Umzug vorzubereiten, bin ich draußen geblieben, um Laubmulch für den Nutzgarten zusammenzurechen. Vier Schubkarren voll sind es geworden, weil sich die Zierkirsche am Seerosenteich über Nacht entschlossen hatte, so gut wie alle ihre Blätter abzuwerfen…

Als ich im Halbdunkel gegen halb fünf die letzten Blätter, die wegen ihrer leuchtenden Farbe noch recht gut zu sehen waren, zusammenrechte, ertönte plötzlich irgendwo über mir ein lautes, langgezogenes Heulen. Sofort standen alle Haare in meinem Nacken und auf den Armen Hab-Acht und mein Herz fing an, wie wild zu klopfen. Gleich darauf ein zweites Heulen, viel zu nah für meinen Geschmack und meine Instinkte! Mein erster Gedanke: „Wolf!“ Der zweite und dritte: „Wo sind die Katzen? Fressen Wölfe Katzen?“ Mein Hirn begann, mir Bilder von einem knurrenden Wolf, drei geduckt und ängstlich in einer Ecke kauernden Katzen und einer mit einem Federbesen bewaffneten Sabine, die sich todesmutig vor das zähnefletschende Biest wirft, zu zeigen. Alles in Sekundenbruchteilen.

Dann setzte der Verstand ein und ich dachte: „Wolf? Aber doch bestimmt nicht hier!“ Und dann: „Tollwütiger Hund!“ Weiter Panik – ähnliches Bild wie vorher, bloß statt Wolf ein geifernder Schäferhund… Plötzlich erklang aus der gleichen Richtung wie das Heulen ein Hammerschlag und ich merkte, wie meine fest zusammengepressten Zähne und krampfhaft den Federbesen umklammernden Finger sich etwas lockerten: „Werkzeug… Klaus! Heulende Bohrmaschine! Übergangsleiste in meinem Büro! Klaus bohrt Löcher…“

Und mit einem Stoßseufzer murmelte ich: „Als Kind wohl zu viel Jack London gelesen, häh?“